Auf der Krönung des schwedischen Königs

Museum Geschichten, Dr. Miloš Říha, 2004

Als bedeutender Diplomat und zugleich Sohn seines noch berühmteren Vaters, des österreichischen Staatskanzlers Fürst Clemens von Metternich-Winneburg erhielt Fürst Richard von Metternich eine Reihe verlockender Einladungen. Mit seiner Anwesenheit, seinem persönlichen Charme sowie intellektuellem Humor war er eine Zierde verschiedenster Gesellschaftsanlässe. Als er aber Anfang 1873 eingeladen wurde, im Mai diesen Jahres persönlich an der Besteigung des schwedischen Thrones durch den schwedischen wie norwegischen König Oskar II. teilzunehmen, war dies selbst für ihn ein außergewöhnliches Ereignis.

Oskar II. Friedrich war ohne Zweifel eine sehr interessante Persönlichkeit. Als dritter Sohn König Oskars I. erblickte er 1829 das Licht der Welt und als Herzog der östlichen Cimbrischen Halbinsel gewann er nach dem Tod seines Bruders Karl XV., der am 18. September 1872 verstorben war, die schwedische und norwegische Krone. Schon in seiner Jugend war er als tüchtiger Seemann bekannt geworden. Er hatte an mehreren See-Expeditionen teilgenommen und fehlte auch nicht bei Forschungsfahrten in die nördlichen Polargebiete der Arktis. Dies war sicher eine wichtige Qualifikation im Rahmen der Norwegisch-Schwedischen Union, die die viertgrößte Handelsflotte der Welt besaß. Nach Studien an der Universität Uppsala fing er an, sich genauer mit Geschichte und Literatur zu beschäftigen, veröffentlichte eine umfassende Monographie und fand noch Zeit, Weltausstellungen zu besuchen.

Die berühmten Krönungsfeierlichkeiten fanden am 12. Mai 1873 in Stockholm sowie am 18. Juli 1873 in der Kathedrale von Trondheim statt. Zu diesen Feirlichkeiten kamen bedeutende Persönlichkeiten ganz Europas zusammen. Die Norwegisch-Schwedische Union, die in einem Jahr ihr 60. Jubiläum begehen sollte, war nicht nur wichtiger Handelspartner, sondern positives Beispiel, wie historische Nachbars-Rivalitäten politisch gelöst werden konnten.

Erst vor kurzem hatte Fürst Richard von Metternich seine diplomatische Mission als Gesandter des österreichischen Kaisers Franz Josef I. beim französischen Kaiser Napoleon III. beendet. Als der französische Kaiser, bei Sedan in die Hände preussischer Soldaten gefallen, 1870 genötigt wurde abzudanken, kehrte Fürst Richard nach Wien sowie auf sein geerbtes Schloss Königswart zurück. Eine Reise nach Stockholm bedeutete also eine angenehme Abwechslung im Rahmen seines „Urlaubes“. Hier fand er aufs Neue Möglichkeiten, alte Bekanntschaften und Kontakte zu zahlreichen Gästen, mit denen er in Paris zusammengekommen war, zu erneuern und zu bestärken. Im hohen Norden lockten Fürst Richard jedoch auch andere Dinge, als pompöse Feierlichkeiten, Bankette und die eigentliche Thronbesteigung. Seit seiner Rückkehr von Paris fuhr er in letzter Zeit häufiger auf das Königswarter Schloss und war von den exotischen wie historischen Raritäten des Kuriositätenkabinetts, welches er von Kanzler Metternich geerbt hatte, verzaubert. Daher schaute er sich während seiner Stockholm-Reise nach Dingen um, mit denen er sein Schlossmuseum bereichern könnte.

Die Begegnung mit Lappländern war für Fürst Richard etwas Neues und Außergewöhnliches. Vor allem war er von den ausgeklügelten Gerätschaften, der eigenartigen Kleidung wie dem Lebensstil dieser reisenden Züchter und Jäger von Rentieren wie Fischern, die in den nördlichsten Teilen Skandinaviens lebten, begeistert, die in ihm eher Erinnerungen an die Urzeit oder wenigstens frühe Geschichte, als an das Ende des 19. Jahrhunderts wach werden ließen. Der Fürst war eingenommen von deren Aussehen wie ihrer Sprache und besorgte sich einige ihrer Gegenstände. Für sein Schlossmuseum erwarb er einige lappländische Bekleidungsteile – ein Fellmantel, ein Gürtel, so eine typische aus blauer Tuchware hergestellte Mütze mit Knopf, ein Paar Lederschuhe, ein paar Fäustlinge, ein Mantel aus grobem Leder, Unterwäsche aus weißer Wolle, eine buntfarbige Gürtelborte sowie weitere Stücke. Der Gipfel seiner Sammlerleidenschaft war ein nordlappländischer Schlitten in Bootform für Rentier- bzw. Hundegespann. Der Schlitten ist darüber hinaus sehr groß und sein Transport nach Königswart war keineswegs einfach. Aus Lappland stammt auch ein bearbeitetes Rentiergeweih sowie ein Lasso zum Einfangen von Rentieren. Die Kollektion von Souvenirs wurde von einer Schnupftabaksdose, welche Dr. Gustav von Düben dem Fürsten widmete, Fotografien von Bauerntrachten, verschiedene Landkarten, Dokumente und auch Fotografien der Krönungsgäste erweitert. Auf diesen sind verständlicherweise der neue norwegische und schwedische König Oskar II., der preussische General Blumenthal, Fürst Richard von Metternich, Graf Zapary, Graf Larisch und die ganze bei der Krönung anwesende Gesellschaft in Stockholm zu sehen.

Die Feierlichkeiten endeten, die Gäste kehrten nach Hause zurück, der Fürst ließ mit seinem umfangreichen Gepäck das Herz des Sammlungsverwalters der Königswarter Museumssammlungen höher schlagen, und für den neuen König begannen die allgemeinen Arbeitstage. Schon im nachfolgenden Jahr setzte er ein Gesetz durch, das die Wirtschafts- wie Schiffsverbindungen zwischen Schweden und Norwegen vereinfachte und danach erwarteten ihn nur noch lange und scharfe Streitereien mit dem norwegischen Parlament (Storting) über die Machtverteilung, über das Veto-Recht des Königs sowie die Teilung der Konsulardienste – lange sich hinziehende Konflikte über die Aufteilung von Kompetenzen, wie auch übrigens wir sie zu jener Zeit zur Genüge erlebten (erinnern Sie sich?). All dies gipfelte letztendlich in diplomatischen Schachzügen und Verhandlungen hinter den Kulissen, deren Erfolg die Zerstörung der Beziehungen zwischen Norwegen, Schweden und Dänemark waren. Das norwegische Parlament Storting kündigte letztendlich die Union mit Schweden auf und enthob am 7. Juni 1905 den norwegischen König seiner Funktion. Oskar II. war der letzte König aus der Bernadotte-Dynastie. Tief enttäuscht von der Trennung der Brudernationen erlaubte er nicht, dass ein Mitglied seiner Familie den frei gewordenen norwegischen Thron einnahm. So blieben lediglich vergilbte Fotografien übrig.